Schweizer Energiewerke zahlen aktuell für Gas viel weniger als im Sommer 2022. Damals schossen die Preise in die Höhe, unter anderem wegen des Kriegs in der Ukraine. Trotzdem erhalten die Kunden heute noch immer deutlich höhere Gasrechnungen als 2021. Das zeigen Zahlen des Preisüberwachers Stefan Meierhans.
So zahlen etwa Zürcher Haushalte beim städtischen Gasversorger Energie 360° 13,05 Rappen pro Kilowattstunde (Rp./kWh). Bei einem Bedarf von 20'000 kWh pro Jahr für ein durchschnittliches Einfamilienhaus ergibt das 2610 Franken, ohne Mehrwertsteuer. Im April 2021 bezahlte der gleiche Haushalt 7,65 Rp./kWh – also 1530 Franken pro Jahr. Der aktuelle Preis ist also um rund 70 Prozent höher.
Basler Familie zahlt 1450 Franken mehr
Ähnlich ist es in Basel-Stadt, wo die Industriellen Werke Basel die Preise seit April 2021 um 80 Prozent erhöhten: von 9,24 auf 16,52 Rp./kWh. Eine basel-städtische Familie zahlt aktuell 3304 statt 1848 Franken.
Viele andere öffentliche Gaswerke verlangen mehr als doppelt so viel wie 2021. So etwa die Energie Thun AG, die Städtischen Werke Grenchen, die IBC Energie Wasser Chur und die Regio Energie Solothurn. Dort stieg der Preis von 7,73 auf 18,30 Rp./kWh – ein Plus von 137 Prozent. Und bei kleineren Gaswerken gibt es teilweise noch grössere Anstiege: Bei der Berner Gasversorgung Grauholz etwa vervierfachten sich die Preise fast – von 6,52 auf 25,5 Rp./kWh.
Die Schweizer Energieversorger beziehen Gas an den europäischen Börsen. Eine der wichtigsten ist die TTF in den Niederlanden. Dort sanken die Preise nach den massiven Aufschlägen zwischen Oktober 2021 und Sommer 2022 wieder stark: Kurz vor Ende August 2022 kostete eine Megawattstunde Gas für eine Lieferung im folgenden Jahr umgerechnet 303 Franken. Aktuell sind es noch 31 Franken – also rund ein Zehntel des Preises von 2022.
Als Folge sanken zwar auch die Gaspreise für die Schweizer Haushalte. Aber bei weitem nicht auf das ursprüngliche Niveau, wie die Zahlen des Preisüberwachers zeigen. Stefan Meierhans kritisiert, die Gaspreise für die Schweizer Konsumenten würden zu langsam sinken.
Einkaufspreise bleiben geheim
Der K-Tipp befragte mehrere öffentliche Werke, weshalb sie die tiefen Preise im Gashandel nicht an die Kunden weitergeben. Die Antwort: Sie hätten sich während der Energiekrise aus Sorge vor einer Mangellage grosse Mengen an Gas zu teilweise hohen Preisen sichern müssen. Keines der angefragten Gaswerke war jedoch bereit, gegenüber dem K-Tipp offenzulegen, zu welchem Zeitpunkt und zu welchem Preis wie viel Gas eingekauft wurde.
Viele Gaswerke machen dank der grossen Differenz zwischen dem Einkaufs- und dem Wiederverkaufspreis ein Riesengeschäft: Das Zürcher Werk Energie 360° etwa erhöhte seine Gewinnreserven seit 2020 um 100 Millionen Franken auf 582 Millionen Franken. Im letzten Jahr schrieb der Gasversorger zusätzlich einen Reingewinn von 41,6 Millionen Franken.
Einige Werke erhöhten Tarife moderat
Nicht in allen Regionen der Schweiz liegt der Gaspreis für Endkunden so weit über dem Niveau vom April 2021 wie bei den bereits erwähnten Gaswerken. Der Tarif des Stadtluzerner Versorgungsbetriebs EWL zum Beispiel ist nur 45 Prozent höher. Die Gaspreise der Werkbetriebe Frauenfeld liegen um rund 25 Prozent und die der Regionalwerke Baden um knapp 19 Prozent höher als 2021.
Die EWL schreibt, dass sie Teilmengen drei Jahre im Voraus einkaufe. So sei es möglich, grosse Preisaufschläge der Börse zu glätten.
Angaben des Preisüberwachers zu Gaspresien in den verschiedenen Regionen: Ktipp.ch/gaspreise-schweiz
Gas hätte «nur um wenige Rappen» teurer werden sollen
Der Präsident der Interessengemeinschaft für Erdgasverbraucher (IG Erdgas), René Baggenstos, wirft den Gasversorgern vor, in ihrer Beschaffungsstrategie versagt zu haben. Die IG Erdgas wertete für 2021 und 2023 die Tarife von 50 Gaswerken aus. «Bei einer guten und gut umgesetzten Beschaf-fungsstrategie hätte sich der Energiepreis nur um 3,3 Rp./ kWh erhöhen dürfen», sagt Baggenstos.
Von den 50 Gaswerken blieben nur fünf nahe an diesem Richtwert, zum Beispiel die Berner EWB (+3,59 Rp./kWh) und die Industriellen Werke Lausanne (+3,63 Rp./kWh). Andere wie die Gasversorgung Grauholz schlugen bis zu 19 Rappen auf.
Die IG Erdgas vereint grosse Gasverbraucher wie den Pharmakonzern Lonza, den Zementhersteller Holcim sowie Coop und Migros. Die IG Erdgas setzt sich für tiefe Energiekosten ein.
Überteuertes Gas: So wehren Sie sich
- Verlangen Sie von Ihrem Gaslieferanten Angaben über die Einkaufspreise.
- Melden Sie den zu hohen Tarif auf Preisueberwacher.admin.ch > Mitteilungen an den Preisüberwacher. Stefan Meierhans kann zwar nur Empfehlungen abgeben, doch diese können Wirkung zeigen: Die Technischen Betriebe Glarus zum Beispiel senkten per April 2023 nicht nur den Gaspreis, sondern gewährten nachträglich auch noch einen Rabatt von 12 Prozent für das Jahr 2022, nachdem sich der Preisüberwacher eingeschaltet hatte.