So hatte sich der Walliser Gilbert Tscherry seine geplante Kreuzfahrt nicht vorgestellt. Der 70-Jährige reiste im Oktober mit seiner Partnerin nach Genua. Auf der Hinreise wurde Tscherrys Gepäck gestohlen. Seinen Koffer hatte er in der Gepäckablage des SBB-Wagens deponiert. «Beim Aufenthalt in Bern stiegen viele Reisende aus und ein. Plötzlich war der Koffer verschwunden», erzählt er. Laut Tscherry betrug der Wert des Koffers samt Inhalt rund 5000 Franken. Der Koffer seiner Partnerin wurde nicht gestohlen.
In Genua deckte sich der Walliser mit dem Nötigsten ein. Den nächsten Ärger erlebte er nach der Kreuzfahrt mit der Europäischen Reiseversicherung, einer Tochter der Versicherungsgruppe Helvetia. Gemäss Police wären Schäden bis zu 4000 Franken gedeckt. Seit vielen Jahren bezahlt Tscherry für seine Police «Multi Trip Komfort» 342 Franken pro Jahr.
Die Versicherung lehnte die Übernahme der Kosten ab. Begründung: Tscherry hätte den Koffer im Bahnwagen nicht in die Gepäckablage stellen dürfen. Im Kleingedruckten der Police steht, sie zahle nicht für gestohlene Gegenstände, «die an einem für jedermann zugänglichen Ort, ausserhalb des Einflussbereiches der versicherten Person, auch nur für kurze Zeit, zurückgelassen werden.»
Tscherry kritisiert diese Bestimmung: «Der Koffer passte weder unter noch zwischen die Sitze, auch nicht auf die Ablage darüber.» Also stellte er den Koffer in die Gepäckablage – wo er ihn nicht ständig im Blick haben konnte.
Unzulässige Ausschlusskausel
Die Helvetia wirbt mit dem Spruch: «Einfach, klar, Helvetia». Für ihre Reiseversicherung trifft das jedoch nicht zu. Die auf Tscherry angewandte Klausel im Kleingedruckten der Europäischen Reiseversicherung ist heute nicht einmal mehr zulässig. «2022 wurde das Versicherungsvertragsgesetz erneuert» , sagt Rechtsanwalt Volker Pribnow aus Baden AG. Seither seien bei Reiseversicherungen keine Klauseln mehr erlaubt, die bei leicht fahrlässiger Verursachung eines Schadens die Leistung verweigern.
Tscherrys Pech: Der Walliser hatte seine Reiseversicherung vor 2022 abgeschlossen. Deshalb ist sie noch gültig.
Anfang 2024 fand sich die ungültige Klausel immer noch in den allgemeinen Vertragsbestimmungen der Europäischen Reiseversicherung. Auf Nachfrage des K-Tipp versprach sie, die Klausel «so schnell wie möglich» zu überarbeiten. Tscherry erhielt darauf 3126 Franken für den gestohlenen Koffer. Seine Hausratversicherung zahlte zusätzlich 1800 Franken.
Über 80-Jährige werden benachteiligt
Bei der Europäischen Reiseversicherung finden sich im Kleingedruckten noch weitere fragwürdige Klauseln, wie eine K-Tipp-Leserin feststellen musste. So deckt die Police laut den allgemeinen Vertragsbestimmungen Arzt- und Spitalkosten weltweit nur «für Personen, die den 80. Geburtstag noch nicht erreicht haben». Über 80-Jährige haben also keinen Anspruch. Rechtlich ist das laut Anwalt Pribnow missbräuchlich, sofern die Spitalkosten im Gesamtpaket ein wesentlicher Bestandteil der Reisepolice sind.
Die Reiseversicherung begründet den Altersausschluss damit, dass das Krankheits- und Unfallrisiko bei über 80-Jährigen erhöht sei. Trotz Leistungsausschluss zahlen über 80-Jährige die gleichen Prämien wie andere Kunden.
Eine Reiseversicherung ist oft nicht nötig
Reiseversicherungen sind nicht obligatorisch – und häufig auch nicht sinnvoll. Denn bei vielen Reisepolicen sind die Leistungen stark eingeschränkt. Zudem muss man sich gegen geringe finanzielle Risiken nicht unbedingt versichern. Die wichtigsten Tipps zu Reiseversicherungen:
- Schadenersatzpflicht bei Flugreisen: Wenn ein Flug ausfällt oder ein Koffer beim Transport verschwindet, muss die Airline für den Schaden aufkommen, nicht die Versicherung. Fluggesellschaften müssen pro verlorenem Gepäck bis zu 1600 Franken Schadenersatz bezahlen Eine Gepäckversicherung lohnt sich in der Regel nur bei einem hohen Gepäckwert.
- Annullierungskosten: Versicherungen übernehmen unter bestimmten engen Bedingungen die Kosten, wenn man eine gebuchte Reise nicht antreten kann. Das ist höchstens bei nicht stornierbaren Reisen sinnvoll. Denn sonst entstehen bei Annullation keine Kosten.
- Heilungskosten: Über die obligatorische Grundversicherung der Krankenkasse sind Auslandreisende meist sehr gut versichert. Diese vergütet medizinische Kosten im Ausland bis maximal zum Doppelten des gedeckten Betrags in der Schweiz.
- Reisezwischenfälle: Versicherungen decken Transport- und Rettungskosten bei Unfall und Krankheit während der Reise. Gedeckt sind teilweise auch Transportkosten, wenn man eine Reise aus ganz bestimmten Gründen abbrechen muss – etwa wegen eines Todesfalls in der Familie. Transport- und Rettungskosten lassen sich auch via Zusatzversicherung der Krankenkasse decken.
- Gepäckverlust: «Diebstahl auswärts» ist häufig bereits in der Hausratversicherung enthalten und muss dann für die Ferien nicht separat versichert werden.